Der Deutsche Pflegerat nimmt vor dem Hintergrund des Fachpersonalmangels in einer Presseerklärung Stellung zu der sich immer deutlicher abzeichnenden Entwicklung, dass vermehrt Pflegefachpersonen aus dem Ausland angeworben werden. Immer wieder werde versucht, die Qualifikationsanforderungen, die in den deutschen Berufsgesetzen definiert sind, zu unterlaufen. Ein Beispiel hierzu sei die Anforderungen an die Sprachkompetenz. „Es ist unerträglich, welch hohe Risiken zu Lasten der Patienten und Bewohner manche Träger einzugehen bereit sind“, sagt Franz Wagner, Vize-Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR). „Kommunikation ist ein zentrales Element der pflegerischen Interaktion mit den Klienten“, so Wagner weiter. Je höher das Maß an Verantwortung sei, umso höher müsse die Sprachkompetenz sein. Mangelnde Kommunikationsfähigkeit berge ein hohes Risiko für Versorgungsqualität und -sicherheit. Er fordert deshalb die zuständigen Landesbehörden auf, dem Druck von Trägerseite nicht nachzugeben. Der Europarat hat einen Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER) definiert, in dem das Sprachniveau für eine Berufsausübung allgemein auf Niveau B2 festgelegt ist – dies losgelöst von einer Zuordnung zu bestimmten Berufen, also ohne Berücksichtigung der besonders hohen Anforderungen in der Pflege. Nach Auffassung des DPR kann gerade für die Pflege die Anforderung an Sprachkompetenz nicht niedriger sein als im produzierenden Gewerbe. Auch die Idee, die Kompetenzsteigerung als Teil der (begleiteten) Einarbeitung zu gewährleisten, ist angesichts der schlechten Stellenpläne und des Personalmangels realitätsfern. Vgl. www.bibliomed.de v. 09.09.12
Aktuelles
Jedes Jahr 40.000 Demenzkranke mehr
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft hat gestern neue Zahlen zur Häufigkeit von Demenzerkrankungen veröffentlicht. Danach leben in Deutschland gegenwärtig mehr als 1,4 Millionen Demenzkranke. Zwei Drittel von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Jahr für Jahr treten fast 300.000 Ersterkrankungen auf. Infolge der demografischen Veränderungen kommt es zu weitaus mehr neuen Erkrankungen als zu Sterbefällen unter den bereits Erkrankten. Deshalb nimmt die Zahl der Demenzkranken kontinuierlich zu. Sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt, wird sich die Zahl der Erkrankten bis zum Jahr 2050 auf etwa drei Millionen erhöhen. Dies entspricht einem Anstieg der Krankenzahl um 40.000 pro Jahr beziehungsweise um mehr als 100 pro Tag. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer Neuberechnung der Zahl der Demenzkranken, die Dr. Horst Bickel, Psychiatrische Klinik und Poliklinik der Technischen Universität München, für die Deutsche Alzheimer Gesellschaft vorgenommen hat. Heike von Lützau-Hohlbein, 1. Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, kommentierte die neuen Zahlen: „Heute gibt es 1,4 Millionen Demenzkranke in Deutschland und 2050 werden es 3 Millionen sein. Dies sind erschreckende Zahlen, die für alle Beteiligten ein Ansporn sein sollten, mehr dafür zu tun, dass Menschen mit Demenz heute und in Zukunft ein menschenwürdiges Leben führen können und ihre Familien angemessene Unterstützung erhalten. Niemand kann sagen: Damit haben wir nicht gerechnet oder das haben wir nicht gewusst.“ Vgl. bibliomed.de v. 09.09.12
Bundeskabinett verabschiedet Gesetzentwurf zur Sterbehilfe
Das Bundeskabinett hat heute den umstrittenen Gesetzentwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Sterbehilfe verabschiedet. Dieser sieht vor, dass Ärzte und Pflegende künftig in Ausnahmefällen straffrei Sterbehilfe unterstützen dürfen – wenn sie dem Patienten seit langer Zeit besonders nah standen. Aktive Sterbehilfe etwa durch eine Giftinjektion wäre auch unter der neuen Gesetzgebung verboten. Strafbar wäre zudem künftig auch die „gewerbsmäßige Vermittlung zur Selbsttötung“, wie sie Organisationen wie der Schweizer Sterbehilfeverein Dignitas anbieten. Die Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung, beispielsweise durch die Bereitstellung eines Giftcocktails, den der Patient selbst einnimmt, ist aber bereits jetzt in bestimmten Fällen möglich. Sie ist zwar in der Berufsordnung der Mediziner verboten, strafrechtlich relevant ist dieses Verbot aber nicht. Das Parlament wird nun über den Entwurf beraten. Kritik gab aus von Seiten der Gesundheitsministerkonferenz der Länder, aus der Ärzteschaft und aus der katholischen Kirche. Vgl. www.bibliomed.de v. 09.09.12
Bundeskabinett verabschiedet Gesetzentwurf zur SterbehilfeWeiterlesen
Tausende Demenzkranke in Deutschland werden mit Psychopharmaka ruhiggestellt – weil das Geld und Personal spart
„In Deutschland müssen fast eine viertel Million Menschen Psychopharmaka schlucken, ohne dass damit Krankheiten behandelt werden. Zu dieser erschreckenden Erkenntnis kommt das Zentrum für Sozialpolitik an der Universität Bremen. Laut Berechnung für die „Welt am Sonntag“ werden fast 240.000 Demenzkranke in Heimen oder in ambulanter Pflege mit Medikamenten behandelt, um sie ruhigzustellen. „In diesen Fällen werden die Medikamente nicht verschrieben, um die Leiden der Patienten zu lindern, sondern um Personal einzusparen und somit den Heimbetreibern höhere Gewinne zu bescheren“, sagt der renommierte Sozialforscher Professor Gerd Glaeske. Nach der Berechnung des Bremer Forschers werden von den bundesweit 1,1 Millionen Demenzpatienten fast 360.000 mit Neuroleptika behandelt. Britische Studien ergaben, dass in zwei von drei Fällen die starken, verschreibungspflichtigen Medikamente zu Unrecht verordnet wurden und sich durch eine bessere Betreuung der Betroffenen hätten vermeiden lassen. Die Zahlen, sagt Glaeske, lassen sich auf Deutschland übertragen. Die Verschreibung von Psychopharmaka, um Demenzkranke ruhigzustellen, bezeichnen Glaeske und andere Pflegeexperten als „chemische Gewalt“. Die Gabe von Medikamenten ohne Einwilligung des Patienten oder der Angehörigen sei vergleichbar damit, Patienten ohne richterliche Anordnung ans Bett oder an den Stuhl zu fesseln.
Der Sozialverband VdK, der auch die Interessen alter Menschen vertritt, fordert, deutlich mehr Geld in die Pflege zu stecken, um das Massenphänomen der Medikation einzudämmen. „Demenzkranke haben einen hohen Betreuungsbedarf, weil sie oft einen starken Bewegungsdrang und sogenannte Weglauftendenzen haben“, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher.
Auch müssten in den kommenden Jahren viele Pflegeheime umgebaut werden, um der steigenden Zahl an Demenzkranken gerecht zu werden. Die Erfahrung in Pilotprojekten zeige etwa, dass kleine Wohngruppen mit fünf Bewohnern eine bessere Versorgung gewährleisten könnten als die bisher verbreiteten Stationen mit 20 Bewohnern.
Das Bundesgesundheitsministerium verwies darauf, dass die Entscheidung über die Medikation Demenzkranker bei den behandelnden Ärzten liege. Im Rahmen der von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr geplanten Pflegereform seien jedoch Regelungen geplant, um die Zusammenarbeit zwischen Heimen und Ärzten zu verbessern.
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, kritisierte, Bahr habe bisher lediglich eine neue Kommission eingesetzt, „derweil die Dementen mit Psychopharmaka gefüttert werden“. Für die SPD-Bundestagsfraktion trägt die Bundesregierung ohnehin einen großen Teil der Verantwortung für diesen Skandal, weil sie für die finanzielle Absicherung Demenzkranker bisher zu wenig getan habe. „Weder Herr Rösler noch Herr Bahr haben auch nur einen Handschlag für die Dementen getan“, meint Lauterbach. Auch in seinem neuen Gesetzesentwurf für eine Reform der Pflegeversicherung sehe Bundesgesundheitsminister Bahr „allenfalls ein kleines Almosen für die Dementen vor“. “ Vgl. http://www.welt.de v. 26.03.12