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Aktuelles

Blutdruck und Infarktrisiko – Wendemarke 120

„Neue Erkenntnisse auf der Suche nach dem besten systolischen Zielwert: Ein Blutdruck unter 140 mmHg ist gut, unter 130 vielleicht noch besser. Doch bei Werten unter 120 steigt das Risiko für einen Herzinfarkt wieder an, wie eine Studie zeigt.

NEW YORK. Schaut man sich epidemiologische Daten an, dann gibt es bei einem systolischen Blutdruck von etwa 115 mmHg die wenigsten Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Ob dieser Wert allerdings auch dann noch optimal ist, wenn er bei Hypertonikern mit einer medikamentösen Kombitherapie erreicht wird – das wird zunehmend bezweifelt.

Eine neue Auswertung der Studie ACCOMPLISH gießt nun weiteres Öl ins Feuer um die Diskussion, welches der beste systolische Zielwert ist (Amer J Med 2013, online 29. März).

Zur Erinnerung: In der Studie waren über 10.000 Hypertoniker mit hohem kardiovaskulärem Risiko entweder mit einer Kombination aus einem ACE-Hemmer (Benazepril) und einem modernen Kalziumantagonisten (Amlodipin) oder ACE-Hemmer plus Hydrochlorothiazid (HCT) behandelt worden.

Dabei kam es mit der Amlodipin-Kombination deutlich seltener zu kardiovaskulären Ereignissen als mit der HCT-Kombi.

Seltener Schlaganfall, mehr Infarkte

In der aktuellen Auswertung haben sich nun Ärzte um Dr. Michael Weber vom Suny Downstate College of Medicine in New York die Ergebnisse von ACCOMPLISH mit Blick auf unterschiedliche Blutdruckwerte genauer angesehen.
Dazu teilten sie die Patienten in vier Gruppen ein: In der ersten Gruppe lag der systolische Blutdruck trotz Therapie über 140 mmHg (etwa 2350 Patienten), in der zweiten wurde ein Wert von 140-130 mmHg erreicht (knapp 3430 Patienten), in der dritten ein Wert von 130-120 mmHg (knapp 3600 Patienten) und in der vierten Gruppe schließlich ein Wert zwischen 120 und 110 mmHg (etwa 1330 Patienten).

Die Raten für den kombinierten primären Endpunkt kardiovaskulärer Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall lagen dabei in der ersten Gruppe nach im Schnitt drei Jahren bei 7,6 Prozent, in der zweiten Gruppe bei 5 Prozent, in der dritten bei 4,6 Prozent und der vierten bei knapp 5 Prozent.

Bei einer Blutdrucksenkung unter 120 mmHg stieg das kardiovaskuläre Risiko offenbar wieder etwas an.
Schaute sich das Team um Weber nun die einzelnen Ereignisse genauer an, so fanden sie die niedrigste Rate an kardiovaskulär bedingten Todesfällen in der Gruppe mit einem Blutdruck von 130-120 mmHg (1,4 Prozent).
Bei noch tieferen Drücken lag diese Rate bei 1,8 Prozent und damit etwa 20 Prozent höher, sie war sogar noch höher als in der Gruppe mit einem Druck von 130-140 mmHg (1,7 Prozent).

Dies war offenbar vor allem auf eine hohe Rate kardialer Ereignisse zurückzuführen: Sie war bei der stärksten Drucksenkung mit 4,5 Prozent fast so hoch wie in der Gruppe mit einem Blutdruck über 140 mmHg (5,1 Prozent).
Lediglich die Schlaganfallrate war in der Gruppe mit der stärksten Drucksenkung am geringsten: Sie lag bei 1,3 Prozent, in der Gruppe mit einem Druck zwischen 120-130 mmHg dagegen schon bei 2,1 Prozent.

Hohe Gesamtsterberate

Erschreckend war auch die Gesamtsterberate in der niedrigsten Druckgruppe: Sie lag mit 4,5 Prozent praktisch auf demselben Niveau wie in der Gruppe ohne nennenswerte Blutdrucksenkung.

Fast man die Ergebnisse zusammen, so beschreiben sämtliche Ereignisraten mit Ausnahme vom Schlaganfall eine U-Kurve: Bei einer Blutdrucksenkung unter 140 mmHg fällt das Risiko für Tod oder kardiale Ereignisse drastisch, bei einer Drucksenkung unter 120 mmHg steigt es wieder deutlich an.

Zumindest in ACCOMPLISH gab es kaum nennenswerte Unterschiede bei den Ereignisraten zwischen einer Drucksenkung in den Bereich von 140-130 mmHg und 130-120 mmHg, allerdings kam es bei der stärkeren Drucksenkung bereits zu einem deutlichen Anstieg der Serumkreatinin-Werte.

Die Schlussfolgerung, die sich hier aufdrängt: Es gibt keinen optimalen Zielwert, sondern einen relativ breiten Zielbereich von 140-120 mmHg. In der Praxis wird das vermutlich darauf hinauslaufen, den Blutdruck nur irgendwie unter 140 mmHg zu bekommen.

Diabetikeranteil lag bei 60 Prozent

Allerdings hat die ACCOMPLISH-Studie auch ihre Tücken. So lag der Diabetikeranteil bei 60 Prozent. Inzwischen mehren sich die Hinweise aus anderen Studien, dass Diabetes-Patienten nicht weiter davon profitieren, wenn der systolische Druck statt nur unter 140 mmHg auch noch unter 130 mmHg gesenkt wird.

Ob sich die Ergebnisse von der ACCOMPLISH-Studie allerdings ohne weiteres auf Hypertoniker ohne Diabetes mellitus oder auf andere Medikamentenkombinationen als die hier verwendeten übertragen lassen, darf daher bezweifelt werden“. Vgl. www.aerztezeitung.de v. 18.04.13